Familie Kohn

Hermann Kohn (geb. 26.6.1864) stammt aus einer Kaufmannsfamilie aus Preßburg /Ungarn. Ursprünglich wollte Hermann Kohn Rabbiner werden, konnte dies aber aus gesundheitlichen Gründen nicht verwirklichen. Von 1888 bis 1892 war er in Rosenheim tätig. Mit 28 Jahren (1892) zog Hermann Kohn zu seinem Bruder nach Bhama (Britisch Ostindien / heute: Burma), wo die Brüder für zehn Jahre gemeinsam Handel mit Expeditionsausrüstungen betrieben. 1896 kam er wieder nach Rosenheim, wo er Henriette Kohn (geb. Kohn) heiratete. Henriette, geb. am 16.02.1875 in München, stammte aus der Familie Kohn in Rosenheim. Zu dem Zeitpunkt feierte das Bekleidungsgeschäft ihres Vaters Simon Kohn sein 60jähriges Jubiläum. Das junge Paar ging erst zurück nach Bhama. Dort wurden die beiden Sohne Benjamin (6.02.1899) und Salo Henry (5.10.1900) geboren. Anfang 1902 kamen sie zurück nach Rosenheim und übernahmen das Geschäft der Schwiegereltern am Ludwigsplatz. 1908 ersuchte Hermann Kohn die Einbürgerung nach Bayern und bekam das Heimatrecht in Rosenheim verliehen. Hermann Kohn war als hilfsbereiter, humorvoller Kaufmann und für seine Verdienste um die Notleidenden bekannt. Das Bekleidungsgeschäft „Herman Kohn“ hatte während seiner 30-jährigen Tätigkeit einen guten Ruf in der Stadt und im Umland. Die Familie wohnte in der Kunstmühlstr.38/I und 1906 kam der Sohn Simon und 1910 der Sohn Heinrich zur Welt. Die Söhne besuchten in Rosenheim die Schule. Der älteste Bruder Benjamin war Soldat im Ersten Weltkrieg und ertrank am 15.08.1919 als Zwanzigjähriger im Inn bei einem Fährenunglück in Fischbach.

Bekleidungsgeschäft Hermann Kohn, Ludwigsplatz 9 (Foto Stadtarchiv Rosenheim)

Der Sohn Salo Henry absolvierte 1918 einen 6-monatigen Militärdienst und war ab dem 15.03.1918 als lediger Kaufmannslehrling in Rosenheim gemeldet (Zuzug von Nürnberg).
In einem anderen Dokument heißt es, dass Salo seit 1922 in Rosenheim wohnhaft war. Im Laufe der 20er Jahre beantragte er und auch seine Eltern mehrmals einen Einzelreisepass oder Auslandpass mit Nahreisesichtvermerk, um unter anderem nach Wien und Preßburg zu reisen.

Am 30.10.1930 heirate er in Berlin Schöneberg die 21-jährige Margot Kohn (geb. Spieldoch). Margot Kohn, geb. am 13.05.1909 in Duisburg – Hamborn, war die Tochter von Arnold und Natalie Spieldoch (geb. Eisner). Sie wohnten am Ludwigsplatz 14/I und vier Jahre später wurde am 30.9.1934 ihr Sohn Hermann Kohn in Rosenheim geboren.

Die Geburt seines wohl nach ihm benannten Enkels erlebte Hermann Kohn aber nicht mehr. Er starb überraschend mit 68 Jahren nach einer schweren Operation und einem kurzen Krankenhausaufenthalt am 8.11.1931. Seine Ehefrau Henriette war schon vier Jahre früher am 19.11.1927 in München gestorben. Sie wurden beide im Israelitischen Friedhof in München/Schwabing beigesetzt.

1932 übernahm das Herrenkonfektionsgeschäft Flächen eines ehemaligen Fotogeschäfts am Max-Joseph-Platz, um dort die Schaufenster zur Werbezwecken (Warenausstellung) zu benutzen. Der Verkauf fand weiterhin am Ludwigsplatz statt. Zudem wurde die Einzelfirma „Hermann Kohn“ aus dem Handelsregister gelöscht und ab dem 1.1.1932 als offene Handelsgesellschaft von den Söhnen Salo Henry, Simon und Heinrich Kohn als Gesellschafter geführt.

Am 31.1.1933 wurde zum wiederholten Male im Aushängekasten des Geschäfts (im Laubengang) eingebrochen und der unbekannte Täter entwendete Kleidung im Wert von 200 Reichsmark (15 Knickerboxer-Hosen und Arbeitskleidung).
Im Jahr 1934 wurde Salo Henry Kohn wegen Betrug von einem jungen Kunden aus Riedering beschuldigt. Dieser war wegen eines „verknitterten Anzugs“ verärgert und bemängelt die Qualität. Um den Vorwurf der Benachteiligung des Kunden Hubert Fritz zu widerlegen, wurden der Anzug sogar einem Münchner Tuchkaufmanns zur Prüfung vorgelegt. Im Gutachten wird von einem eingesessenen, bekannten, jüdischen Geschäft gesprochen. Ein weiterer Sachverständiger, ein Schneidermeister, wird von der NS-Volkswohlfahrt hinzugezogen. Es wird eine minderwertige Qualität „festgestellt“ und der Vorwurf des Preiswuchers und einer gemeinen Handlungsweise gegenüber einen Landhelfer in finanzieller Notlage erhoben. Am 30.3.1935 kommt es zu einer Betrugsanzeige durch den Stadtrat Rosenheim.

Am 29.10.1935 wurde für Salo Kohn ein Leumundszeugnis zur Erlaubnis der britischen Staatangehörigkeit ausgestellt. Da er in Burma, einer britischen Kolonie, geboren war, hatte er die britische Staatbürgerschaft durch Geburt. Im Konsulat in München wurde für Salo Henry Kohn am 19.12.1935 ein britischer Reisepass (gültig bis 1940) ausgestellt. Seine Ehefrau Margot erhielt die britischen Staatsangehörigkeit durch Verehelichung, sein Sohn Hermann war im Geburtsregister des englischen Generalkonsulats verzeichnet. Am 30.4.1936 verlor Salo die deutsche Reichsangehörigkeit durch Entlassung und benötigte nun eine Aufenthaltsgenehmigung, um in Rosenheim zu wohnen. Gleichzeitig begann die Bayerische Politische Polizei (alarmiert vom Bürgermeister) sich für eventuelle Abwanderungspläne zu interessieren und es wurde z.T. geheim nach steuerlichen und strafrechtlichen Bedenken an verschiedenen Behörden (Zollfahndungsstelle München, Reichsjustizministerium Berlin) nachgefragt. Es konnte aber nichts nachgewiesen werden.

Am 13.6.1936 informierte die Schutzmannschaft den Rosenheimer Bürgermeister darüber, dass in der Nacht „Zettel an das Judengeschäft angeklebt“ wurden. Heinrich Kohn hatte die Zettel entdeckt und Salo Henry Kohn hatte den Vorfall an die englische Gesandtschaft gemeldet.

Am 12.1.1937 wurde eine Dringlichkeitsbescheinigung für eine Auslandreise nach London „zum Zweck der Geschäftsanbahnung für eine spätere Auswanderung nach England“ ausgestellt. Salo Henry Kohn war damit berechtigt, einen Betrag von 50 RM in inländischen Scheinen oder ausländischen Geldsorten mitzuführen (nicht versenden oder im aufgegebenen Reisegepäck). Auf diese vorbereitenden Maßnahmen zur Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland wurde das Finanzamt aufmerksam und bat um vertrauliche und sofortige sachdienliche Hinweise von Seiten der Geheimen Staatpolizeileitstelle (Briennerstr.50, München).

Am 19.2.1937 zog Salo Henry Kohn gemeinsam mit seiner Frau aus und siedelte (Zwischenstation Berlin) im April nach London über. Schon Ende Mai kehrte Margot Kohn aber zurück nach Rosenheim und wurde von der Münchner Dienststelle der Geheimen Staatspolizei über Salos Aufenthalt befragt. Sie sagte aus, dass die Geschäfte nicht so wie erwartet gingen. Daher sei sie wieder nach Rosenheim zurückgekehrt, aber nur so lange bis ihre Mann sie ernähren könne. Der eigentliche Umzug sei schon organisiert und bezahlt gewesen. Der Sohn war noch in Rosenheim geblieben.
Das Generalkonsulat meldet der Bayerischen Staatskanzlei, dass Margot Kohns Ehemann sie und den Sohn infolge der ungünstigen finanziellen Lage in London nach Rosenheim zurückkehren lies. Herr Kohn fand es unmöglich, seine Familie in London zu unterstützen. Sie soll von den Gewinnteilen des Geschäftes Hermann Kohn in Rosenheim leben. Frau Kohn hatte sich als Engländerin bei der Polizeibehörde in Rosenheim angemeldet, aber für das Konsulat war unklar, ob Margot Kohn während ihres Aufenthalts in Deutschland als Ausländerin oder Deutsch angesehen werde. 

In der Zwischenzeit kam es am 18.3.1937 zu einem Zwischenfall im Laden. Der SA-Scharführer Johann Reiser hatte drei in Uniform befindliche Wehrmachtsangehörige des Jägerregimentes aus Brannenburg darüber informiert, dass dies ein jüdisches Geschäfts sei, als die drei dieses betreten wollten. Simon und Heinrich Kohn beschwerten sich darüber und wollten die Personalien wissen. Am Ende wollen die Brüder aber keinen Strafantrag wegen Hausfriedensbruch stellen.

Im Laufe des Jahres 1938 häufen sich Vorfälle in Rosenheim. Margot Kohn und Salos Brüder Simon und Heinrich wehren sich vergeblich gegen hetzende Plakate am Ladeneingang, Kunden werden am Einkaufen gehindert, es kommt zu Wortgefechten, Schaulustige drängen sich und die herbeigerufene Polizei hilft nicht. Auch das britische Generalkonsulat kann sie nicht mehr schützen.

Der Laden, das Haus und das kleine Grundstück wurden Ende Oktober 1938 verkauft, erst emigrierte Margot Kohn nach London, im Frühjahr 1939 flohen die Brüder Simon und Heinrich Kohn. Heinrich zog es weiter in die USA, er nannte sich ab da Harry und heiratete in New York Käthe Reichner, die er schon aus Rosenheim kannte.

Salo Kohn wechselte in London sogar seinen Nachnamen und nannte sich nun Henry Salo Clayton. Nach seinem frühen Tod im Jahr 1947 heiratete Margot wieder, Salos Bruder Simon wurde ihr zweiter Ehemann. Der Sohn Hermann übernahm den Namen Peter Clayton.

Seine Frau Margaret und sein Sohn Ben leben heute noch in England.

Nach dem Krieg versuchten Harry, Simon und Margot eine Entschädigung für den unter Preis verkauften Laden zu bekommen.

Familie Kohn

Hermann Kohn (26.6.1864), Preßburg /Ungarn, gest. 8.11.1931 Rosenheim

Henriette Kohn (16.02.1875), geb. Kohn, München, gest. 19.11.1927 Rosenheim

1896: Heirat Henriette und Hermann

  • Benjamin Kohn (6.02.1899), Rosenheim, ertrunken 15.08.1919
  • Salo Henry Kohn (5.10.1900), in Bhamo/Burma

Flucht am 16.04.1937 nach London: Henry Salo Clayton, gest. 22.08.1947

  • Simon Heinrich Kohn (4.08.1906), Rosenheim,

John Simon Clayton, gest. 4.12.1991 London

  • Heinrich Kohn (9.11.1910), Rosenheim, 1939 UK,

4.06.1940 Virginia / USA, Harry Kohn, gest. 4.06.1976 in Washington DC

25.11.1942 New York: Heirat Kate und Harry

Kate (Katharina / Käthe) Reichner (18.03.1905) Tochter von Frieda Wiener, Rosenheim

1939 über UK nach USA, gest. 21.11.1992 in Virginia Beach, Virginia

Margot Kohn (13.05.1909), geb. Spieldoch, Duisburg,

Eltern: Arnold (1884) und Natalie Spieldoch (geb. Eisner, 1884).

Flucht 1938 nach London, Margot Clayton, gest. 4.08.1990

            30.10.1930: Heirat Margot und Salo Henry

  • Hermann Kohn (30.09.1934), Rosenheim

Hermann Peter Clayton, gest. 24.11.2019 Loxley, Warwickshire

23.05.1948: 2. Heirat Margot und John Simon (Salos Bruder)

Recherche: Michaela Hoff und SchülerInnen der Otfried-Preußler-Mittelschule Stephanskirchen