Die vierte Stolpersteinverlegung im Landkreis Rosenheim

Am Sonntag, 11. Februar 2024 verlegte der Künstler Gunter Demnig zwei Stolpersteine an der Haidenholzstraße (Ecke Hubertusstraße) in 83071 Stephans­kirchen-Haidholzen. Dort befand sich 1945 das so genannte „U-Gebäude“ des KZ-Außenlagers Stephanskirchen, eines von 140 Außenlagern und Außenkommandos des KZ Dachau.

Verlegung in Stephanskirchen mit Gunter Demnig. Foto Thomae

Stellvertretend für alle Insassen wollen wir an zwei junge Männer erinnern, die dort Anfang 1945 ermordet wurden:

Kusma Martschenko, geb. am 10. November 1918 aus Schytomyr (heute Ukraine) und Martin Sabozki, am 25. Juni 1919 in Malgow (Polen) geboren, mussten in Deutschland Zwangsarbeit verrichten. Beide waren ab 1942 in verschiedenen KZ eingesperrt, darunter das KZ Dachau mit seinem Außenlager Allach und das KZ Natzweiler (Frankreich) mit seinem Außenlager Markirch. Beide gelangten am 29. Dezember 1944 mit einem Transport ins KZ-Außenlager Stephanskirchen. Dort wurde Martin Sabozki am 1. Februar 1945 und Kusma Martschenko am 4. März 1945 ermordet.

Zwei Stolpersteine in Stephanskirchen . Foto Nowotny

Nach sehr persönlichen und engagierten Reden des 1. Bürgermeisters Karl Mair und des Kulturdezernenten des Landkreises Rosenheim Christoph Maier-Gehring folgte meine Rede, die ich nach einer Schweigeminute so beendete:

„Zur heutigen Verlegung hatten wir auch die Konsule der Ukraine und Polens eingeladen, die heute leider nicht kommen konnten. Doch wir haben einen anderen Ehrengast aus der Ukraine hier: Bogdana, die seit einem Jahr die Otfried-Preussler-Mittelschule Stephanskirchen besucht und beim Schulradio mitarbeitet. Seit über fünf Jahren begleitet und unterstützt uns dieses wunderbare Projekt, sie haben viele preisgekrönte Beiträge zur NS-Verfolgung in der Region produziert. Heute stellen sie uns Ausschnitte aus ihrem neuesten Werk vor, das die Geschichte von Kusma Martschenko und Martin Sabozki erzählt.

Vielen Dank!“

Und dann berichtete das Schulradio-Projekt Simsseewelle über die beiden jungen Männer, die im Außenlager ermordet wurden. Michaela Hoff betreut nicht nur als Lehrerin das Projekt, sie ist auch die Patin des Steins für Kusma Martschenko. Die Patenschaft für Martin Sabozkis Stolperstein übernahm Dr. Michaela Müller.

Michaela Hoff betonte, dass die intensiven Recherchen ihrer SchülerInnen weitergehen – mit der Hoffnung, vielleicht noch Angehörige ausfindig zu machen. Schon jetzt haben sie mit Unterstützung einer aus Polen stammenden und einer ukrainischen Schülerin vieles gefunden. So erfuhren sie über Google Maps von der kleinen alten Holzkirche in Kusmas Heimatdorf – eine Information, die gleich Eingang in den fiktiven Dialog zwischen Ksuma und Martin fand. Der komplette Beitrag ist hier zu hören:https://c.web.de/@320188427423193475/dSB1EzeTQTOeekBUEMF9Zw

Das Schulradioprojekt stellt Ausschnitte ihres neuen Beitrags vor. Foto Nowotny

Im Anschluss verlegte Gunter Demnig in der Gehrenstr./Am Eglsee in 83059 Kolbermoor-Mitterhart einen Stolperstein für Mathias Stich, geboren am 15. Mai 1907 in Arget bei Sauerlach, der als Zeuge Jehovas von den Nationalsozialisten verfolgt wurde. Nach einem langen Leidensweg durch die KZ Dachau und Mauthausen sowie dessen Außenlager in Gusen wurde er dort am 24. Januar 1942 ermordet.

Gunter Demnig verlegt den Stein für Mathias Stich, während Christoph Bensch-Andrä seine Ansprache vor ca. 100 ZuschauerInnen hält. Foto Thomae

Der Münchner Historiker Christoph Wilker recherchierte die Biographie von Mathias Stich. Er betonte, dass die Zeugen Jehovas auch im KZ die Wahl hatten: Würden sie ihrem Glauben abschwören und den Treueeid auf den „Führer“ leisten, so wären sie sofort freigekommen. Doch die wenigsten Zeugen Jehovas wählten diese Weg des geringen Widerstands. Die meisten blieben standhaft – notfalls bis in den Tod.

Die Ansprache von Christoph Wilker. Foto Nowotny

Er schloss: „Der heute verlegte Stolperstein für Mathias Stich dient der Erinnerung an diesen mutigen jungen Mann, der es ablehnte, sich an den Verbrechen der Nationalsozialisten zu beteiligen. Was können wir heute für uns mitnehmen? Es ist möglich, nein zu sagen, wenn verlangt wird, höhere Grundsätze zu verletzen, wie damals durch Unterstützung von Gesinnungskontrolle, Judenvernichtung und der Tötungsmaschinerie des Krieges. Das erfordert allerdings ein geistiges Rückgrat, das wir uns in guten Jahren erarbeiten müssen. Dazu kann auch die heutige Veranstaltung beitragen. Es ist ein gutes Zeichen, dass Sie heute gekommen sind. Vielen Dank.“

Jung und Alt legt Blumen nieder. Foto Nowotny
Foto Nowotny