Fortunato und Fernanda Zanobini

Fortunato Zanobini

Der Italiener Fortunato Zanobini wird am 9. Februar 1915 in Bologna geboren. Er wächst in Rimini auf und dürfte dort auch zur Schule gegangen sein. Danach arbeitet er zunächst als Kellner und später als Gastwirt.

Die deutschen Besatzer in Norditalien hatten im Oktober 1943 für die Männer der Jahrgänge 1910-1925 eine Arbeitspflicht verhängt. Wahrscheinlich ist Fortunato Zanobini auf diese Weise nach Deutschland verbracht worden. Am 15. November 1943 wird er erstmalig beim Arbeitsamt München registriert.

Wo er in den ersten Monaten gearbeitet hat, ist unklar. Ab 5. Januar 1944 sitzt er wegen Arbeitsvertragsbruchs im Augsburger Gefängnis. Wie lange er dort inhaftiert ist, konnte noch nicht erhellt werden.

Am 4. Mai 1944 beginnt seine Zwangsarbeit in Kolbermoor. Er muss als Hilfsarbeiter im „Baumwollspinnerei Werk II“ die Arbeit aufnehmen, wohin BMW einen Teil seiner Rüstungsproduktion auslagert. Zunächst sind für BMW vorgesehene Gebäudeteile von den Baumwoll-Maschinen freizuräumen. Er muss in einer Baracke wohnen, in der die Zwangsarbeiter auf einem Strohsack schlafen, der auf rohen Brettern liegt und es gibt kein Heizmaterial für die Öfen. Auch die Ernährung ist völlig unzureichend. Die Zwangsarbeiter haben ständig Hunger.

Nach zweieinhalb Wochen, am 20. Mai, zeigt BMW Fortunato wegen Arbeitsvertragsbruchs bei der Schutzpolizei Kolbermoor an. Er habe wiederholt seinen Arbeitsplatz unerlaubt verlassen und nachts nicht in der Baracke genächtigt. Man liefert ihn ins Gerichtsgefängnis Rosenheim ein und die Kolbermoorer Schutzpolizei informiert sofort den Landrat. Schon wenige Tage später nimmt sich die Geheime Staatspolizei aus München der Sache an.
Binnen kurzer Zeit muss Fortunato beim Gesundheitsamt vorstellig werden und sich untersuchen lassen. Er wird als lagertauglich befunden und ins Polizeigefängnis München transportiert. Am 5. Juli 1944 wird er in das Konzentrationslager Dachau verbracht.

Dort wird er wie alle Häftlinge ein einziges Martyrium erlebt haben, das durch 11-stündige Schwerarbeit, ungenügende Ernährung und unmenschliche Strafen gekennzeichnet ist. Nach mehr als fünf Monaten wird er in das KZ Buchenwald verlegt und schon drei Tage später, am 15. Dezember 1944, weiter in das KZ-Außenkommando S III nach Ohrdruf. In diesem reinen Zwangsarbeiterlager müssen umfangreiche Tunnel- und Bunkeranlagen angelegt werden. Tausende von Häftlingen sterben dabei.

Keine zwei Monate vor Kriegsende, am 13. März 1945, kommt es noch zu einer weiteren Verlegung. Fortunato wird jetzt in das Konzentrationslager Bergen-Belsen verbracht, das völlig überbelegt ist und zu einem reinen Sterbelager geworden ist. Allein im März 1945 sterben hier 18.000 Häftlinge. Hunger und Seuchen raffen tausende KZ-Insassen dahin. Einer von ihnen ist Fortunato Zanobini.

Fernanda Zanobini

Die Italienerin Fernanda Paganelli wird am 12. September 1917 in Poretta Terme, einem Kurort in der Nähe von Bologna, geboren. Sie wächst wie ihr späterer Mann in Rimini auf und wohnt in der Viale Principe Amedo 3, Albergo Flora. Sie wird in Rimini auch zur Schule gegangen sein und erlernt danach den Beruf der Schneiderin. Von 1934 bis 1943 übt sie diese Tätigkeit aus und heiratet in dieser Zeit den Kellner Fortunato Zanobini.

Vier Tage nach ihrem Mann, am 19. November 1943, wird sie vom Arbeitsamt München registriert. Sie lebt in einem Lager in der Dachauerstraße und ist zunächst bei der Firma Präma-App.Bau tätig. Am 4. April 1944 wird sie vom Arbeitsamt München nach Kolbermoor zu BMW dienstverpflichtet.

Sie muss in einem Barackenlager auf der Loreto-Wiese in Rosenheim leben und als Küchenhilfe für das Kolbermoorer „Baumwollspinnerei Werk II“ arbeiten. Die Küche von BMW befindet sich in Bruckmühl. Ihr Mann ist zu der Zeit noch in München. Er kommt erst Anfang Mai nach Kolbermoor und wird nach wenigen Wochen festgenommen.

In der Küche bekommt Fernanda schon bald Ärger mit dem Küchenleiter Boedecker, der mit ihrer Arbeit unzufrieden ist. So wird sie Anfang September nach Kolbermoor „überwiesen“. Am 25. November wird sie gerügt, sie habe einen Tag unentschuldigt bei der Arbeit gefehlt. Ihr Mann befindet sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Konzentrationslager Dachau. Wird sie an diesem Tag versucht haben, sich um ihn zu kümmern? Sie wird krank und wird in der Baracke kontrolliert, ob sie wirklich nicht arbeiten kann.

Eine Woche später beantragt ihr Vorgesetzter eine Strafe für sie, weil sie in kurzer Zeit vier Besen und einen Handbesen verloren habe. Es wird eine Geldstrafe von 15 RM gefordert. Das entspricht immerhin einem ganzen Wochenlohn.

Am 27. November, knapp drei Wochen später, erhält sie eine „Verwarnung“,
und die Geldstrafe von 15 RM wird verhängt. In dem Schreiben heißt es. Wir „ersuchen Sie dringend, sich in Zukunft derartige Disziplinlosigkeiten nicht mehr zu Schulden kommen zu lassen. Im Wiederholungsfall werden wir mit strengeren Maßnahmen gegen Sie vorgehen.“

Knapp zwei Wochen später trifft wieder ein Schreiben ein. Sie habe sich ohne Genehmigung von ihrem Wohnort und Arbeitsplatz entfernt: „Die bisherigen Verwarnungen wegen anderer Disziplinlosigkeiten haben also nichts genutzt.“. Ihr werden die Rauchwaren für zwei Wochen entzogen und ihr angedroht, bei weiteren Vergehen „mit den strengsten uns zu Gebote stehenden Maßnahmen gegen Sie vorzugehen.“ Damit ist nichts anderes gemeint, als dafür zu sorgen, dass auch sie in ein Konzentrationslager eingewiesen wird.

So weit kommt es glücklicherweise nicht. Fernanda Zanobini erlebt das Kriegsende in Rosenheim. Ihr weiteres Schicksal ist uns nicht bekannt.

Was steckt nun aller Wahrscheinlichkeit dahinter, dass Fortunato nachts nicht in seiner Baracken war? Die Lebensbedingungen sind schlecht und die Arbeit ist hart. 72 Stunden die Woche muss geschuftet werden. Wie soll da eine junge Liebe gedeihen? Fortunato ist 29 Jahre alt und seine Frau 27. So werden sie sich nachts getroffen und gefunden haben.

Die Nazis haben das junge Paar getrennt und Fortunato auf brutalste Weise ermordet. Nun sind sie zumindest durch ihre Stolpersteine wieder vereint.